Pilotprojekt dezentrale Flexibilität
TransnetBW, Audi und IE2S testen die Nutzung von dezentralen Flexibilitäten aus Elektrofahrzeugen.
- Niedrigschwelliges Angebot für private Elektrofahrzeugbesitzer
- Smart-Meter-Gateway oder dynamischer Stromtarif sind nicht notwendig
- Dezentrale Flexibilitäten im Standardlastprofil nutzbar machen
Die Übertragungsnetzbetreiberin TransnetBW testet gemeinsam mit Audi und Intelligent Energy System Services (IE2S) die Nutzung dezentraler Flexibilitäten aus Elektrofahrzeugen.
„Mit unserem neuen Pilotprojekt mit Audi testen wir, wie private Elektrofahrzeugbesitzerinnen und ‑besitzer perspektivisch von flexiblen Strompreisen profitieren können, wenn sie ihr Fahrzeug zu Hause laden, aber nicht über ein Smart-Meter-Gateway oder einen dynamischen Stromtarif verfügen. Das hilft uns als Übertragungsnetzbetreiber, dezentrale Flexibilitäten effizient für die Systemstabilität zu nutzen. Und das Besondere für die Teilnehmenden an diesem Pilotprojekt ist, dass die technischen Voraussetzungen ohne zusätzliche Investitionen in die technische Infrastruktur gegeben sind“, zeigt sich Dr. Rainer Pflaum, Mitglieder der Geschäftsführung von TransnetBW, erfreut.
Derzeit ist das intelligente Laden von Elektrofahrzeugen zu Hause ohne ein intelligentes Messsystem sowie einem intelligenten oder dynamischen Stromvertrag nicht möglich. Das Verschieben eines Ladevorgangs in Zeiten mit niedrigen Strompreisen kann in diesem Fall weder gemessen noch bilanziert und abgerechnet werden. Damit haben private Elektrofahrzeugbesitzer weder die Möglichkeit noch den Anreiz, von günstigen Strompreisen zu profitieren. Mit dem jetzt gestarteten Pilotprojekt ist es möglich, die Flexibilität der Stromnachfrage auch ohne intelligentes Messsystem zu nutzen.
Der Smart-Meter-Rollout ist in Deutschland gesetzlich geregelt. Der verpflichtende Rollout ab 2025 gilt für Verbraucher ab einem jährlichen Bruttostromverbrauch von 6.000 Kilowattstunden (kWh) sowie für steuerbare Verbrauchseinrichtungen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz, beispielsweise Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Batteriespeicher. Aufgrund der geringen Verbreitung von Smart-Meter-Gateways und der geringen Akzeptanz von dynamischen Stromtarifen ist noch nicht absehbar, ob die großen Flexibilitätspotenziale dieser dezentralen Verbraucher ausreichend erschlossen werden können.
Durch die Nutzung der bestehenden Systeme der beteiligten Partner sowie der aktuell etablierten energiewirtschaftlichen Prozesse lässt sich ein effizientes Verfahren zur Integration der Flexibilität von Elektrofahrzeugen in den Strommarkt realisieren. Für das Vorhaben wird ein Pool von Audi Elektrofahrzeugen mit den Handelsprozessen von TransnetBW verknüpft.
Das zugrundeliegende System entscheidet auf Grundlage der Nutzungsprofile seiner Kunden darüber, welche Flexibilität zur Verfügung steht, ohne deren Komfort einzuschränken. TransnetBW vermarktet die Flexibilität am kontinuierlichen Intraday-Markt und bilanziert die Veränderungen des Stromverbrauchs der Marktlokationen im Vergleich zum Standardlastprofil aufgrund des geänderten Ladeverhaltens in den Differenzbilanzkreisen der jeweiligen Netzbetreiber.
Seit Projektbeginn erproben die Partner erfolgreich das Zusammenspiel der Systeme und Prozesse im Testbetrieb. Dies wird mit virtuellen Elektrofahrzeugen, den Digital Twins, unter realen Marktbedingungen simuliert. Erste vorläufige Ergebnisse deuten auf ein hohes Flexibilisierungs- und Einsparpotenzial für potenzielle Kunden hin. Ab September wird der Pilottest auf reale Fahrzeuge ausgeweitet und die verfügbare Flexibilität der Teilnehmer real an der Börse vermarktet sowie die Bilanzierung und Abrechnung mit den Netzbetreibern realisiert. Der End-to-End-Test soll insbesondere Aufschluss über die Machbarkeit, das Potenzial der Lastverschiebung durch Elektrofahrzeuge sowie den volkswirtschaftlichen Nutzen geben.
Der Ansatz ermöglicht somit die Kombination von klassischen Stromverträgen mit Festpreis und der Vermarktung von Flexibilitäten, da die Vermarktung, Bilanzierung und Abrechnung der Flexibilitäten unabhängig vom Strombezugsvertrag erfolgt. Aufgrund seiner Einfachheit könnte dieser Ansatz in einem absehbaren Zeithorizont für die Erschließung lastseitiger Flexibilitäten genutzt werden. Neben der Vermarktung am Intraday-Markt sind zukünftig weitere Anwendungsfälle denkbar, wie z. B. die Bereitstellung von Regelreserve.